Marketing: Wie kann ich meine Preispolitik nachhaltig gestalten?

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Definition

Im Rahmen der Preispolitik stehen Unternehmen vor der Aufgabe, ihre angebotenen Leistungen in Form von Produkten oder Dienstleistungen mit angemessenen Preisen auszuzeichnen. Dabei müssen stets alle Faktoren berücksichtigt werden, die ausschlaggebend für den Endpreis sind. Dazu zählen Herstellungskosten – zum Beispiel aufgrund von Rohstoffen und Personal –, Kundenwünsche, Produkteigenschaften und die Preise der Wettbewerber. Welche konkreten Preisstrategien verfolgt werden, hängt ebenfalls von Kunden, Wettbewerb und dem allgemeinen Markt ab, auf dem sich das Unternehmen befindet.[1]

Studien belegen, dass immer mehr Endverbraucher mittlerweile bereit sind, für nachhaltige Produkte entsprechend mehr Geld auszugeben, wenn sie wissen, dass das Produkt z. B. unter fairen Arbeitsbedingungen und ohne Kinder- oder Zwangsarbeit hergestellt wurde oder aus biologischem Anbau stammt und keine bedenklichen Chemikalien enthält. Rund 18 % Mehrkosten würden die bereitwilligen Verbraucher für nachhaltige Produkte in Kauf nehmen.[2]

Unternehmen sollten sich deshalb – nicht nur, aber auch – an der Preisbereitschaft ihrer Kundschaft orientieren und ihre Preise entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Betrieb entsprechend anpassen.

Preise nachhaltig gestalten

Unter einer nachhaltigen Preisgestaltung versteht man eben jene, die nicht nur die Gewinnmaximierung des eigenen Unternehmens anstrebt, sondern ein nachhaltiges Wirtschaften in all seinen Formen berücksichtigt. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen in den finalen Preis ihrer Leistungen verschiedene Faktoren einkalkulieren müssen; ebenso sollte diese Kalkulation möglichst langfristig und vorausschauend angelegt sein, um eine bessere Planungssicherheit zu gewährleisten. Produktionskosten für nachhaltige Prozesse, Rohstoffe und benötigte Materialien wie Maschinen gehören ebenso dazu wie Energiekosten, Personalkosten, die fairen Arbeitsbedingungen entsprechen, sowie Puffer für Unvorhersehbares, um eine dauerhafte und stabile, nachhaltige Wertschöpfungskette sicherzustellen.

Dabei sollte man auch folgende Tatsache nicht außer Acht lassen: Nachhaltige Produkte müssen nicht zwangsläufig teurer sein als konventionelle. Oft können durch nachhaltige und ressourcenschonende Herstellungsprozesse nämlich effektiv große Mengen an Wasser, Energie und Rohstoffen eingespart werden, was wiederum finanzielle Einsparungen für Unternehmen mit sich bringt.

Beispiel: Chipstüten sind das Paradebeispiel, wenn es um ineffiziente Verpackungen geht. Bei diesen künstlich vergrößerten Verpackungen handelt es sich um einen psychologischen Trick, indem suggeriert wird, dass eine so große Tüte vermeintlich mehr Inhalt enthält, als es tatsächlich der Fall ist. Unternehmen, die sich bewusst für einen nachhaltigen Vertrieb entscheiden möchten, werden feststellen, dass diese Art von Verpackung nicht nur Verbraucher täuscht, sondern auch zusätzliche Kosten verursacht, die sich durch eine dem Inhalt angepasste Verpackung deutlich senken lassen. Eine Studie hat ergeben, dass in Deutschland jährlich rund 1,4 Millionen Mülltonnen an Verpackungen eingespart werden könnten, wenn Hersteller eben solcher Produkte die Verpackungen der Menge des Inhalts anpassen würden.[3] Diese 1,4 Millionen Mülltonnen Verpackungsmüll einzusparen, schont nicht nur die Umwelt, sondern auch das Budget von produzierenden Gewerben.

Beispiel: Viele Materialien aus der Modeindustrie werden unter Bedingungen hergestellt, die für Mensch und Umwelt schädlichen sind. Allein für ein T-Shirt aus konventioneller Baumwolle werden ca. 2.000 Liter Wasser benötigt, hauptsächlich für den Anbau von Baumwolle unter Einsatz von gefährlichen Pestiziden und Chemikalien.[4] Der Anbau von Bio-Baumwolle hingegen braucht 91 % weniger Frischwasser, da zum Beispiel Regenwasser zum Anbau genutzt wird.[5] Ein T-Shirt aus Bio-Baumwolle benötigt im Vergleich also statt 2.000 Litern Wasser nur ca. 180 Liter. Vor allem angesichts des globalen Wassermangels kommt einem ressourcenschonenden Produktionsprozess in diesem Fall nicht nur eine kostenrelevante, sondern auch eine nachhaltige Bedeutung zu.

Diese Beispiele zeigen Potenziale auf, in welchen Bereichen sich Kosten einsparen lassen können, sodass Verbrauchern keine exorbitanten Preise für nachhaltige Leistungen abverlangt werden müssen. Maßnahmen wie Einsparungen an Verpackungsmaterialien, Nutzung nachhaltiger Rohstoffe aus dem Recycling, Verzicht auf Informationen in Papierform und auch der Umstieg auf selbst erzeugten Strom durch eine Photovoltaik-Anlage können zwar einmalig höhere Kosten verursachen, die sich aber langfristig amortisieren und sowohl dem Budget als auch der Umwelt zugute kommen.

Preise nachhaltig auszeichnen

Unter einer nachhaltigen Preispolitik versteht man nicht nur eine nachhaltige Gestaltung der Preise, sondern auch das Demonstrieren einer offenen und transparenten Preispolitik nach außen. Viele Verbraucher sind bereit, höhere Beträge für nachhaltige Produkte zu zahlen – unter der Voraussetzung, dass auch nachvollziehbar ist, aus welchen Faktoren und Kostenstellen sich dieser Gesamtpreis zusammensetzt.

Dieser Forderung sollte eine nachhaltige Preispolitik möglichst gut nachkommen und Preise transparent aufschlüsseln. Das Fair-Fashion-Unternehmen Salzwasser beispielsweise geht mit gutem Beispiel voran und schlüsselt den Gesamtpreis verschiedener Produkte nach Kategorien und Kostenträgern auf.

In einem Oberteil zum finalen Verkaufspreis von 80 Euro stecken zum Beispiel 23 % Produktionskosten, die sich wiederum aus Löhnen der Herstellenden, Materialien, Transport und anderen Faktoren zusammensetzen. Weitere 20 % des Verkaufspreises ergeben sich aus dem Lohn der Mitarbeitenden; dazu kommen Steuern, Logistik, Marketing, Zahlungen und ein prozentualer Anteil an Spenden an Umweltschutzprojekte.

So kann jede Person genau verfolgen, in welche Prozesse und Bereiche ihr ausgegebener Betrag investiert wird und man kann besser nachvollziehen, welche Kosten überhaupt hinter so einem Produkt stecken. Dies wiederum zeigt deutlich, dass zum Beispiel T-Shirts für 4,99 Euro niemals unter nachhaltigen und fairen Bedingungen produziert werden können, ohne dass innerhalb dieser Produktionskette jemand anderes dafür den Preis zahlen muss – im übertragenden Sinn. Verbraucher bekommen dadurch ein Verständnis für den tatsächlichen Wert eines Produktes und können für solche, wenn auch höheren Preise, sensibilisiert werden.

Nachhaltige Preise praktisch umsetzen

Die Umstellung deiner Produktion bzw. deiner Wertschöpfungskette nach nachhaltigen Gesichtspunkten sowie eine angepasste Preisgestaltung sollten über einen ausreichend langen Zeitraum geplant, organisiert und umgesetzt werden. Eine Preisanpassung über zu viele Prozentpunkte von heute auf morgen sollte vermieden werden, sondern Schritt für Schritt an Kunden und Lieferanten kommuniziert werden. Diese in die Preisgestaltung mit einzubeziehen, kann deinem Unternehmen äußerst wertvolle Erkenntnisse liefern. Dazu hast du u. a. folgende Möglichkeiten:

Befrage deine Kunden in Form eines Newsletters, eines Fragebogens oder direkt vor, während bzw. nach ihrem Kauf, welchen Preis sie für ein nachhaltigeres Produkt bereit wären zu zahlen. So bekommst du schnell ein Gespür dafür, auf welchem Stand sich deine Kunden gerade befinden und wie wichtig ihnen selbst das Thema Nachhaltigkeit ist. Natürlich sollten deine Entscheidungen in der Preispolitik nicht allein von der Meinung deiner Kunden getroffen werden. Aber sie können maßgeblich mitbestimmen, in wie schnellen Schritten du deinen Betrieb zunehmend nachhaltiger gestalten kannst. Vielleicht sind viele deiner Kunden schon bereit, mehr Geld für nachhaltige Alternativen zu zahlen und wollen dich aktiv bei deinem nachhaltigen Wirtschaften unterstützen. Vielleicht ist dieses Thema aber auch bei genau deiner Zielgruppe bzw. deiner Leistung noch nicht angekommen und du musst deine Kunden langsam an das Thema heranführen, indem du Schritt für Schritt verschiedene Elemente nachhaltiger gestaltest. Das kann zum Beispiel die Einführung einer nachhaltigen Variante eines bestehenden Produktes sein. In einer Art A/B-Test kannst du dann deinen Kunden beide Varianten zur Auswahl anbieten und festhalten, wie deren Reaktionen auf die Alternative sind. Dabei kannst du als weitere Variable gleich verschiedene Preise im direkten Vergleich einsetzen und so analysieren, welche Preisbereitschaft bei den Kunden für ein nachhaltigeres Produkt vorherrscht.

In jedem Fall gilt: Eine nachhaltige Preispolitik besteht nicht nur daraus, faire Preise unter Berücksichtigung von Mensch und Umwelt zu kalkulieren. Ebenso wichtig sind die richtige Kommunikation und Transparenz deiner Preispolitik, um (potenziellen) Kunden offenzulegen, wie deine Preise zustande kommen und um sie somit für die Preise nachhaltiger Produkte zu sensibilisieren. Denn im Endeffekt trägst du als Unternehmen so auch als aufklärende Institution dazu bei, dem Thema Nachhaltigkeit den Raum in der Gesellschaft und bei den Verbrauchern zu geben, den es braucht und verdient.

Quellen