Soziale Nachhaltigkeit: Welche Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich für Unternehmen?

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Soziale Nachhaltigkeit ist eine der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. Die anderen beiden sind Ökologie und Ökonomie. Sie bezieht sich auf die Organisation von kulturellen und sozialen Systemen. Das Ziel der sozialen Nachhaltigkeit ist die Chancengleichheit für alle, sowie die Existenzsicherung einer langfristig nachhaltig strukturierten Gesellschaft.

Ein entscheidender Faktor sozialer Nachhaltigkeit ist der Gesundheitszustand und die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens oder einer Organisation. Anhand verschiedener Maßnahmen lässt sich die soziale Stabilität gewährleisten und verbessern. Für Unternehmen bezieht sich die soziale Komponente vor allem auf die Auswirkungen sozialen Handelns im Umgang mit Mitarbeiter*innen, den Beziehungen zu Interessensgruppen oder der allgemeinen Verantwortung des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft.[1]

Besonders in unserer digital geprägten Arbeitswelt ist es für Unternehmen wichtig, wie bestehende aber auch ehemalige Mitarbeiter*innen das Unternehmen nach außen bewerten. Ein human gestalteter Arbeitsplatz ist nicht mehr nur eine arbeitsrechtliche Frage, sondern vor allem eine Frage der Ressourcennutzung.[2] Arbeitskraft und Humankapital sollten nicht nur gefordert, sondern vor allem gefördert und wahrgenommen werden.

Besonders im Zuge der globalen Pandemie hat der Begriff der „Work-Life-Balance“ in Bezug auf das Arbeiten von zuhause (oder generell Remote Working) hier eine neue Diskussion eröffnet. Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Wo setzen Unternehmen an und mit welchen Mitteln lassen sich Organisationen in ihrer Vielfalt und sozialen Sicherheit langfristig und ganzheitlich bestärken?

Zunächst gibt es hierfür Ansätze der internen und externen Maßnahmen.

Unternehmensinterne soziale Maßnahmen

Angemessene Arbeitszeiten und flexible Arbeitsmodelle

Hierbei geht es um die Vermeidung, Verringerung bzw. den Ausgleich von Überstunden und um flexible Arbeitszeiten zur Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf. Ein Arbeitsmodell sollte nicht in erster Linie nur auf Effizienz, sondern auch auf einer fairen und ausgeglichenen Nutzung der Kräfte ausgerichtet sein. Besonders in Bezug auf die mentale Gesundheit und eine langfristig sinnvolle Nutzung der Energie und des Humankapitals, ist ein ausgeglichenes Arbeit-Freizeit-Modell sinnvoll. Auch die individuellen Bedürfnisse von Mitarbeiter*innen sollten hierbei mit einbezogen und stetig reflektiert werden. Verschiedene Arbeitszeitmodelle sind z.B. Teilzeit, Gleitzeit, Funktionszeit, Home-Office, Arbeitszeitkonten, Baukastensystem, Jahresarbeitszeit, Sabbatical-Strategien, Job-Sharing und Vertrauensarbeitszeit.

Angemessene Entlohnung und Lohngleichheit

Die Unternehmensleitung sollte für ein leistungsgerechtes Einkommen sowie für tarifliche Löhne und Lohnzuschläge sorgen. Auch eine transparente Kommunikation des Gehaltsmodells sowie eine gerechte und einheitliche Bezahlung ist Teil eines sozialen Umgangs mit Mitarbeitenden. Hierzu gehört auch eine stetige Kommunikation und Zielsetzungen zur Skalierung des Gehaltes. Diese Maßnahme dient sowohl der Vertrauensbildung als auch der Motivation und Wertschätzung der Mitarbeiter*innen.

Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz

Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter*innen regelmäßig schulen. Sie sollten z.B. Sportkurse und Veranstaltungen zur Gesundheitsförderung anbieten. Sowohl die geistige als auch die körperliche Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter*innen ist ein wichtiger Faktor der Wertschätzung. Besonders wichtig ist ein körperlicher Ausgleich vor allem dann, wenn die Arbeit hauptsächlich am Computer stattfindet. Daher bietet es sich an, Mitarbeiter*innen zu sportlicher Betätigung innerhalb des Unternehmens zu animieren – z.B. mit gemeinsamen Radtouren oder mit der Teilnahme an einer gemeinnützigen Radtour-Veranstaltung. Auch außerhalb des Unternehmens bieten sich sportliche Aktivitäten an – z.B. durch die Bezuschussung von Fitnesskursen oder Fitnessstudio-Abos. Langfristig dient das dem generellen Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sowie auch eines verringerten Krankheitsausfalls. Auch die Ausstattung der Bürofläche sollte zum einen am besten barrierefrei sein, zum anderen aber auch ergonomisch gestaltet sein. Hierzu sind verschiedene Ausstattungsoptionen möglich und diese sollten bestenfalls auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen abgestimmt sein. Auch ein Angebot von gesunden Getränken (wie Wasser und Tee), sowie die Bereitstellung von Obst ist ein guter Weg, Mitarbeiter*innen in einem gesunden Lebenswandel zu bestärken. Auch das Bemühen um eine regelmäßige geistige Weiterbildung ist sinnvoll, um Mitarbeiter*innen in ihren Interessen zu fördern und somit Zugriff auf erweiterte Kompetenzen zu erlangen.[3]

Beschäftigung und Jobsicherheit

Besonders in unbeständigen und sich rasch wandelnden Zeiten ist es wichtig, den Mitarbeiter*innen ein Gefühl der Sicherheit zu gewährleisten. Hierzu zählen unter anderem das Angebot von unbefristeten Arbeitsverhältnissen sowie Rücksichtnahme bei privaten und gesellschaftlichen Sondersituationen. Auch ein firmeninternes Problem sollte stets offen kommuniziert und die Perspektive der Mitarbeitenden mit einbezogen werden. Instabile Arbeitssituationen führen zu vermehrtem Stress und Unsicherheit. Dies schlägt sich oftmals auf die mentale Einstellung, Motivation und Gesundheit von Arbeitnehmer*innen nieder. Der offene Austausch oder ein Angebot von Reflexions- und Feedbackrunden zeigt den Mitarbeiter*innen, dass sie gesehen und gehört werden. [4]

Beteiligung Ihrer Beschäftigten

Das Einbeziehen innovativer Vorschläge und Ideen zur Optimierung von Arbeitsprozessen ermöglicht es, Beschäftigte in die langfristige Gestaltung der Organisation zu integrieren. Dies dient auch der Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen und motivieren diese, die Qualität der eigenen Leistung stets zu optimieren. Auch eine finanzielle Beteiligung am Unternehmen, wie z.B. ein Genossenschaftsmodell, integrieren und motivieren die Beschäftigten.

Das Betriebsklima

Der Umgangston von Unternehmen sollte nicht nur nach außen hin stets freundlich sein. Auch die Art und Weise wie mit Mitarbeiter*innen intern kommuniziert und umgegangen wird, ist wichtig für ein gesundes Arbeitsklima. Die Tonalität sowie die (Mit-)Gestaltung des Arbeitsraumes schaffen eine positive und produktive Arbeitsatmosphäre. Durch die Gestaltung von gemeinschaftlich genutzten Aufenthaltsräumen oder Flächen bietet sich die Möglichkeit, das Wir-Gefühl zu stärken und den Austausch mit den Mitarbeitenden zu fördern. Auch regelmäßige Teambuilding-Maßnahmen können für ein besseres Betriebsklima sorgen.

Mobile Maßnahmen

Auch der Arbeitsweg sollte für soziale Nachhaltigkeitsmaßnahmen genutzt werden. Dazu gehört der Zugang zu sicheren Parkplätzen für Auto und Fahrrad sowie verfügbare E-Ladesäulen für Mitarbeitende oder z.B. reservierte Parkplätze für Fahrgemeinschaften – all diese Maßnahmen bieten Möglichkeiten, den Mitarbeiter*innen den Weg zur Arbeit so komfortabel wie möglich zu gestalten. Jobräder oder Carsharing sind weitere Maßnahmen, die Mobilität flexibel zu halten. Vergünstigte oder sogar kostenlose Tickets für den öffentlichen Nahverkehr sind besonders sinnvolle Methoden, eine nachhaltige Mobilität zu fördern. Ein internes Mietsystem von Transportern (z. B. für Umzüge) oder Lastenräder können Ausdruck von Wertschätzung sein.

Soziale Sicherheit und Sozialleistungen

Zu den üblichen Sozialleistungen wie der betrieblichen Altersvorsorge und einer Bezuschussung der Kinderbetreuung zählen hier auch Boni oder finanzielle Förderungen und Anreize für Mitarbeitende. Besonders wenn sich Lebenssituationen ändern, ist es gut für Arbeitnehmer*innen zu wissen, dass das Unternehmen einem bei Bedarf auch finanziell den Rücken stärkt. Auch hier ist eine offene und gemeinsame Diskussion der beste Weg, das Gefühl von Gerechtigkeit zu erhalten. [5]

Interne Feedbackkultur

Für eine gut funktionierende interne Feedbackkultur sollte es allen Mitarbeitenden möglich sein, auch über inoffizielle Methoden Probleme und Bedürfnisse zu äußern. Besonders für sensible und persönliche Anliegen sollte es eine oder mehrere vertrauenswürdige Personen im Unternehmen geben, die bei Bedarf als Ansprechpartner*innen dienen. Vor allem bei internen Vorfällen wie Ungerechtigkeiten oder übergriffige Situationen sollte eine verlässliche Kommunikationsmethode entwickelt werden. Falls die Mitarbeitenden jedoch externe Lösungen bevorzugen, braucht es auch hier eine gute Aufklärung wie mit Feedback und Anliegen umgegangen werden kann. Talk to Spot (en) bietet zum Beispiel eine externe Lösung für Arbeitnehmer*innen, interne Vorfälle zu dokumentieren und auszuwerten, um sie bei Bedarf an die Personalabteilung weiterzuleiten. Ein sensibler Umgang mit Wünschen und Bedürfnissen von Angestellten ist ein Kernanliegen sozialer Nachhaltigkeit.

Vielfalt und Chancengleichheit

Diversität in der Unternehmenskultur erstreckt sich nicht nur auf eine ausgewogene Beschäftigung verschiedener Geschlechter, sondern auch auf die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Beeinträchtigung, sowie Menschen verschiedenster Altersgruppen. Hierzu können Teilzeitausbildung oder die Ausbildung und Beschäftigung älterer Menschen angeboten werden. Generell ist es für einen nachhaltigen Anspruch sinnvoll, auch intern verschiedenen Perspektiven Raum zu geben. Dazu trägt eine diverse Belegschaft mit verschiedenen kulturellen Sichtweisen bei. Sie fördert mehr Verständnis und eine vielfältigere Problemlösung auch in Bezug auf angebotene Dienstleistungen bzw. Produkte.[6]

Unternehmensexterne soziale Maßnahmen

Der Datenschutz

Sowohl zum Schutz des Unternehmens als auch zum Schutz der Beschäftigten ist es wichtig, Arbeitgeber*innen sowie Arbeitnehmer*innen für Datensicherheit zu sensibilisieren. Hierzu ist es sinnvoll, Schulungen und regelmäßige Updates zum Umgang mit sensiblen Daten anzubieten und auch selbst daran teilzunehmen. Auch die Ausweitung des Angebots auf den Umgang mit privaten Daten ist relevant, um ein Bewusstsein für Datenschutz zu schaffen.

Energiesolidarität als Instrument der Versorgungssicherheit

Um eine Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist es für die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens wichtig, Ressourcen sowie eingesparte Energie zu verteilen. Hierfür ist es gut, sich mit regional ansässigen Instituten und sozialen Vereinen abzusprechen, um hier überschüssige Energie oder Ressourcen sinnvoll zu teilen oder zu spenden.[7]

Ethische Geschäftspraktiken

Der sozialen Komponente der Arbeitswelt liegt ein ethisch vertretbares Arbeitsmodell zugrunde. Hierzu zählen die Einrichtung einer Compliance-Beschwerdestelle und das Unterlassen von Steuertricks, genauso wie die stetige Reflexion des ethischen Standpunktes eines Unternehmens.

Gesellschaftliches Engagement

Das Interesse des Gemeinwohls sollte für ein Unternehmen ebenso wichtig sein wie die Wirtschaftlichkeit selbst. Firmen können mit Bildungs- und sozialen Einrichtungen kooperieren, Kultur- und Sportveranstaltungen sponsern sowie Geld-, Zeit- und Sachspenden geben. Sowohl internationale Wohltätigkeitsvereine als auch regionale soziale Hilfeleistung sollten hier in Betracht gezogen werden. Oftmals ist es sinnvoll, hier ebenfalls einen Ideenpool für soziales Engagement einzurichten. So wird allen Mitarbeitenden eine Chance gegeben, ihre Anliegen mitzuteilen und Vorschläge für ein Engagement zu unterbreiten. Besonders wenn Mitarbeiter*innen einen persönlichen Bezug zu einem Verein oder einer sozialen Institution haben, besteht eine hohe Bereitschaft, hierfür Zeit und Muße aufzubringen.

Gesundheit und Sicherheit der Kund*innen und Klient*innen

Auch die Endverbraucher*innen sowie Kund*innen bzw. Klient*innen eines Unternehmens sollten in eine ganzheitliche soziale Betrachtung integriert werden. Daher ist ein Verzicht auf den Einsatz gesundheitsschädlicher Chemikalien bzw. Produkte wichtig. Aber auch die Infrastruktur und die Dienstleitung sollten im Interesse der Verbraucher gestaltet sein. Eine gesunde Umwelt dient letztlich allen Parteien, nicht nur der Ökobilanz eines Unternehmens. Hier ist eine gewisse vorausschauende ökologische Gesamthaltung von Vorteil. Auch für den langfristigen Ruf und das Ansehen eines Unternehmens sind Maßnahmen in diesem Sektor sinnvoll. Daher bietet es sich an, auch den Kund*innen eine kontinuierliche Möglichkeit des Feedbacks zu geben. Auch öffentliche Angebote wie ein “Tag der offenen Tür” dienen dazu, allen Außenstehenden einen Einblick in Prozesse und Zielsetzungen eines Unternehmens zu geben und sie können sowohl dem Unternehmen als auch den Verbraucher*innen Inspirationen und Impulse geben.

Lebensverhältnisse umliegender Gemeinden

Jedes Unternehmen ist mit seinem Standort Teil einer Gemeinde und der dort herrschenden Infrastruktur. Daher ist es wichtig, auch den Faktor des regionalen Gemeinwohls in den Umgang mit Ressourcen einzubeziehen. Jedes Unternehmen sollte auf eine möglichst geringe Beeinträchtigung der Infrastruktur sowie auf eine Verminderung der Lärmbelästigung achten. Auch der Austausch mit den Menschen vor Ort und den ortsansässigen Einrichtungen dient einem gesunden sozialen Netzwerk. Außerdem ist die regionale Akzeptanz des Unternehmens entscheidend für sein langfristiges Bestehen. Es lohnt sich daher, sich als Unternehmen an der Gestaltung einer Gemeinde zu beteiligen und die regionalen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu unterstützen.

Nachhaltiger Einkauf

Soziale Aspekte sollten nicht nur auf die eigenen Arbeitsprozesse hin definiert werden. Auch externe Lieferanten und Produkte sollten hinsichtlich sozialer und nachhaltiger Kriterien betrachtet werden. Je nach Möglichkeit ist es sinnvoll, mit regionalen Lieferanten und Anbietern zu kooperieren.

Vermarktung und Transparenz

Zu sozialer Nachhaltigkeit gehört letztendlich auch immer, dass wir alle in unserer stetigen Entwicklung in sozialen und ökologischen Ansprüchen von und miteinander lernen. Daher ist es wichtig, Informationen, Prozesse und Erfahrungen zu teilen. Unternehmen und Organisationen sollten daher ihre Konzeptionen transparent zur Verfügung stellen. Dies dient nicht nur der Vermarktung und Positionierung des eigenen Unternehmens, sondern auch dem Erhalt des sozialen und nachhaltigen Anspruchs an das Unternehmen selbst. Daher ist es wichtig, sich auch vor, nach und während der Bereitstellung stets zu überprüfen, ob die Maßnahmen eingehalten und weiterentwickelt werden. Ein beliebtes Tool zur transparenten Veröffentlichung der Unternehmensmaßnahmen ist der sogenannte CSR-Report (Corporate Social Responsibility Report).

Quellen